Gott ist unsichtbar. Können wir Ihn wahrnehmen? Gott wirkt unsichtbar. Können wir Sein Wirken erkennen?
Wir feiern heute Pfingsten. Die Apostelgeschichte berichtet von der Herabkunft des Heiligen Geistes auf über 120 Jünger. Die Apostel und die Muttergottes waren in dieser Gruppe in Jerusalem, die im Obergemach beteten. Wahrscheinlich war es derselbe Saal wie für das Letzte Abendmahl. Sie erlebten, wie sie vom Heiligen Geist erfüllt wurden. Das äußere Zeichen dafür waren die Zungen wie von Feuer und das Brausen vom Himmel her. Dieses Ereignis war einzigartig. Die Jünger verloren die Furcht, vor den Menschen ihren Glauben an Jesus Christus zu bekennen.
Es war aber nicht das einzige Mal, dass Gott, der Heilige Geist wirkte. Er schenkt sich immer wieder – freigebig, großzügig. „Auch die Patriarchen und Propheten und Priester, ja alle Heiligen, die in früheren Zeiten lebten, sind durch die Heiligung desselben Geistes ausgerüstet worden.“ (Leo der Große)
In der Schöpfung wirkte der Geist Gottes, der über den Wassern schwebte. (Gen 1,1) Die siebzig Ältesten, die Mose in der Leitung des Volkes in der Wüste unterstützen sollten, wurden vom Geist erfüllt: „Sobald der Geist auf ihnen ruhte, redeten sie prophetisch.“ (Num 11,25) Durch den Geist erkannte Ezechiel, dass die Toten auferstehen werden (vgl. Ez 37). Die Jungfrau Maria wurde vom Geist überschattet und empfing den Gottessohn. Jesus wurde vom Geist in die Wüste geführt, wo Er die Versuchungen bestand. Er kehrte erfüllt vom Heiligen Geist aus der Wüste von Judäa nach Galiläa zurück (vgl. Lk 4,14). In der Kraft des Heiligen Geistes konnte Jesus auferstehen (vgl. Röm 8,11) Nach Seiner Auferstehung hauchte Christus die Apostel an: „Empfangt den Heiligen Geist.“ (Joh 20,22) In jedem Sakrament wirkt Gott, der Heilige Geist. So schenkt er die sieben Gaben: Weisheit, Einsicht, Rat, Stärke, Erkenntnis, Frömmigkeit und Gottesfurcht.
Kann man das spüren? Woher weiß ein Christ, dass es wirklich der Heilige Geist ist, der wirkt?
„Gott ist der Ruhepunkt“, so beschrieb mir eine junge Frau ihre Motivation, christlich zu heiraten. Tiefen Frieden kann nur Gott schenken, weil Frieden über das menschliche Zusammenleben hinausgeht. Frieden zu verspüren heißt, den Sinn des eigenen Lebens zu begreifen, zu erkennen, dass über meinem menschlichen Handeln eine göttliche Berufung steht. Diesen Frieden schenkt Gott gerade in Zeiten der Unruhe, wie ein Bischof von Canterbury in der bekannten Pfingstsequenz vor über 800 Jahren gedichtet hat:
Komm herab, o Heil’ger Geist,
der die finstre Nacht zerreißt,
strahle Licht in diese Welt. …
In der Unrast schenkst du Ruh,
hauchst in Hitze Kühlung zu,
spendest Trost in Leid und Tod.
Wir spüren es noch deutlicher, wenn der Geist Gottes am Wirken gehindert wird: im erbitterten Streit, in der Verwirrung, im Durcheinanderbringen. Das ist die ursprüngliche Bedeutung des Diabolischen: Es trennt, wirft durcheinander, zerstört die Ordnung der Schöpfung, will Chaos.
Haben Sie schon eine Runde von Menschen erlebt, in der mit feiner Zunge ein Mensch erniedrigt wird? Kennen Sie die Situation, in der Neid einen Menschen an den Rand drängt? Hier kann man klar widerstehen, wenn man in Gott gefestigt, „gefirmt“ ist.
Der Heilige Geist stiftet Einheit und schenkt Frieden. So können wir den unsichtbaren Gott erkennen. „Durch den einen Geist wurden wir in der Taufe alle in einen einzigen Leib aufgenommen.“ (1 Kor 12,13). Amen.
Am Anfang der Erlösung steht die Menschwerdung. Aber Gott wollte nicht Mensch werden, ohne die Zustimmung einer Frau. Merken wir den besonderen Zugang Gottes zu uns Menschen? Gott erwählt uns als Seine Mitarbeiter. Für Maria war es keine leichte Entscheidung, aber sie fasste sie schnell. „Wie soll das geschehen, da ich keinen Mann erkenne?“ Sie überlegte, schätzte ihre Möglichkeiten ein, beriet sich mit dem Engel. Zugrunde lag ihr fester Glaube an Gott. War sie allein mit ihrer Entscheidung? „Du bist voll der Gnade“, sagte der Erzengel Gabriel zu ihr. Sie war nicht allein, Gott selbst bereitete sie vor – durch ihr Leben aus dem Glauben und die Gnade, die Er ihr schenkte. Gestern bei einer der Maifeiern sagte eine junge Frau zu mir: Ich brauche kein Geschenk von Gott, ich mache alles selbst, mit eigenen Händen. Sie ist berufstätig, hat Familie, ein bewegtes Leben hinter sich. Man merkte ihre Spannkraft, ihre Energie, ihren Lebenswillen, ihre Schaffenskraft. Und dann erzählte ich ihr von den Erstkommunionskindern, die gestern zur ersten Beichte gegangen waren. Was kann man ihnen raten? „Schließe deine Augen und sag: Jesus, hilf mir.“ Da stiegen der jungen Frau die Tränen in die Augen: „Ja, so habe ich es insgeheim oft gemacht: Hilf mir, Gott.“
Wir leben nicht aus uns selbst, die Gnade Gottes durchwirkt uns. Die Kunst ist, sie zu entdecken.
Davon gibt Maria Zeugnis: eine wache, kluge, überlegte Frau. Als sie ihre Verwandte Elisabeth in den Bergen von Judäa traf, gab sie Zeugnis davon, dass Gott immer schon wirkte: Ihr Lobgesang wurde zum täglichen Abendgebet der Kirche. (Lk 1,47-55)
Nicht nur wirkte Gott in der Geschichte des Volkes Israel. Er zeigt sich im Leben der Jungfrau und Gottesmutter. Mit den Bildern des Alten Testaments schmückt die Lauretanische Litanei unsere Vorstellung von Maria, prägt unsere Beziehung zu Maria.
Woher wissen wir, dass es Gott gibt? Vielleicht bilden wir uns den Glauben nur ein, bewegen wir uns nur in einer prächtigen Illusion: das literarische Feuerwerk der Bibel, die kunstvollen Heiligenbilder, die ausdrucksstarken Ikonen, die beeindruckenden Bauwerke Kathedralen, Kapellen und Katakomben. Sind sie nur das Produkt der menschlichen Phantasie? Wie können wir erahnen, dass es jemanden gibt, der uns erschaffen hat, der uns erlösen kann, der uns nahe ist?
Ein Mädchen in einem unserer Dörfer möchte sich mit acht Jahren taufen lassen. Im Religionsunterricht spielten sie die Taufe schon in der ersten Klasse durch. Sie freut sich auch auf die Erstkommunion, obwohl ihre Eltern nicht der Kirche angehören wollen. Beim Taufgespräch mit ihr, ihrer Patin, ihren Eltern und ihrer kleinen Schwester, die auch um die Taufe bittet, habe ich sie gefragt: Woher weißt Du, dass es Gott gibt? Manchem mag diese Frage zu schwierig für ein Kind erscheinen, die Frage, die über Jahrtausende Gottsucher in allen Kulturen beschäftigt. Aber Kinder haben oft unkonventionelle Antworten. Das Mädchen antwortete mit klarer Bestimmtheit: „Immer, wenn sich etwas überraschendes Schönes ereignet, weiß ich, dass es Gott gibt.“
Etwas Schönes, das sich überraschend ergibt, das nicht geplant werden kann, etwas, das nicht einer menschlichen Idee entspringt – das ist der Gotteshinweis für das junge Mädchen. Ihre Idee liegt allen Ausdrucksformen des christlichen Glaubens zugrunde: der Bibel, den Heiligenbildern und Ikonen, den Kathedralen, Kapellen, Herrgottswinkeln, Katakomben. Alles wurde geschaffen aus dem Gedanken, dass Gott gut ist und Gutes tut.
Die Apostel ergriff dieser Gedanke mit tiefer Ehrfurcht: Nach dem wunderbaren Fischfang fiel Petrus „Jesus zu Füßen und sagte: Geh weg von mir; denn ich bin ein sündiger Mensch, Herr! Denn Schrecken hatte ihn und alle seine Begleiter ergriffen über den Fang der Fische, den sie gemacht hatten.“ (Lk 5,8-9) Jesus hatte gepredigt und wollte seinen Zuhörern offenbar zeigen, dass Er nicht aus sich selbst als Mensch spricht, sondern dass Er Gottes Sohn ist. Deshalb schickte er die künftigen Apostel nach einer erfolglosen Nacht des Fischfangs wieder auf den See Genesaret hinaus. Was war der Effekt? „Sie fingen eine große Menge Fische; und ihre Netze drohten zu reißen. … sie gaben ihren Gefährten im anderen Boot ein Zeichen, sie sollten kommen und ihnen helfen. Sie kamen und füllten beide Boote, sodass sie fast versanken.“ (Lk 5,7) Das hatte niemand erwartet, noch dazu fischte man klugerweise nicht untertags, wenn die Sonne schien.
Die größte Wende des Guten war die Auferstehung. Zum ältesten Zeugnis der Auferstehung zählt der erste Brief des hl. Paulus an die Korinther, weniger als drei Jahrzehnte nach dem Tod Christi: „Christus ist für unsere Sünden gestorben, gemäß der Schrift, und ist begraben worden. Er ist am dritten Tag auferweckt worden, gemäß der Schrift, und erschien dem Kephas, dann den Zwölf. Danach erschien er mehr als fünfhundert Brüdern zugleich.“ (1 Kor 15,3-6)
Dieses Zeugnis ist noch älter als der Korintherbrief, weil auch Paulus selbst von anderen darin unterrichtet worden war. Dieses Zeugnis führt uns an den Tod Jesu heran. So wie viele beeindruckt, wenn Wissenschaftler von den ersten Minuten nach dem Urknall sprechen, so kann uns das mit Faszination erfüllen, wenn wir von diesem Zeugnis des „christlichen Urknalls“ erfahren. Die Auferstehung war eine unerwartete Neuheit, wie das Mädchen sagte, etwas Gutes, das sich überraschend ereignete. Darüber können wir nur staunen – wie die Apostel und wie der Prophet Jesaja. Er sah in einer Vision „den Herrn auf einem hohen und erhabenen Thron sitzen und die Säume seines Gewandes füllten den Tempel aus. Serafim standen über ihm. Und einer rief dem anderen zu und sagte: Heilig, heilig, heilig ist der Herr der Heerscharen.“ (Jes 6,1-3) Die Worte dieses Engels eignen wir uns in jeder Hl. Messe an, wenn wir das Heilig singen. Jesaja erkannte, wie klein, wie unvollkommen, wie unzulänglich er gegenüber der überragenden Schönheit Gottes war. Und Gott erwählte ihn. Er reinigte ihn von aller Sünde, so dass Jesaja sagen konnte: „Hier bin ich, sende mich.“ (Jes 6,8) Gott zu erkennen wie das junge Mädchen vor der Taufe lässt niemanden untätig zurück. Die Erkenntnis Gottes spornt dazu an, für Ihn da zu sein, sich durch Ihn senden lassen. So spricht Gott zu Petrus, zu Jesaja – und Er sagt es auch zu uns, um uns anzuspornen, dass wir uns für Ihn einsetzen: „Fürchte dich nicht! Von jetzt an wirst du Menschen fangen.“ (Lk 5,10)
Amen.
Warum wurde die Befreiung aus Ägypten das wichtigste Ereignis in der Geschichte des Volkes Israel? In der Osternacht wird die Bibelstelle aus dem Buch Exodus auch in der katholischen Liturgie vorgelesen.
Die Israeliten zogen unter der Leitung von Mose durch das Rote Meer von Ägypten zur Halbinsel Sinai. Sei entkamen auf wunderbare Weise den übermächtigen Soldaten der Ägypter.
Diese Befreiung ist mehr als eine politische. Die Israeliten entkamen nicht nur ihren Unterdrückern, den ägyptischen Sklaventreibern. Gott bahnte einen Weg durch das Meer. Diese Tat scheint derart unvorstellbar, dass sie schon mancher in Zweifel gezogen hat. Welcher Sinn steht hinter diesem Wunder?
Es zeigt die reale Kraft Gottes, die bewegt – den inneren und den äußeren Menschen. Der Durchzug durch das Meer ist ein beeindruckendes Wunder, aber es gibt noch größere. Das größte ist die Bekehrung eines Menschen, seine Abkehr vom falschen Weg, seine innere Reinigung von schlechten Gedanken: „So spricht der Herr, der einen Weg durchs Meer bahnt, einen Pfad durch gewaltige Wasser.“ (Jes 43,16)
Das Schlechte im eigenen Inneren zu durchbrechen ist wie durch ein tiefes Meer zu gehen. Es scheint unmöglich. Wir mühen uns ab und plagen uns. Da kommt uns Gott entgegen: „Der Herr spricht: Denkt nicht mehr an das, was früher war; auf das, was vergangen ist, achtet nicht mehr!“ (Jes 43,18)
Die Heilige Schrift kennt viele Menschen, die sich von Gott aufrichten ließen: Maria Magdalena, Paulus, Petrus, auch der zweifelnde Thomas oder die ehrgeizigen Brüder Jakobus und Johannes.
Immer wieder zeigte Jesus Seine Nähe zu uns schwachen Menschen. So berichtete Johannes, dass Jesus im Tempel lehrte und Er dabei saß. Das war nicht nur die Körperhaltung eines Lehrers. Jesus zeigte dadurch an, dass Er freiwillig Mensch wurde. Viele begannen Ihm zuzuhören und an Ihn zu glauben. Gott erschien ihnen nahe, weil er Mensch wurde (vgl. Hl. Alkuin).
Auch die Klagen der Pharisäer, der gebildeten Juden, hörte Jesus geduldig an. Dabei bückte Er sich und schrieb auf die Erde. Ist das ein Zeichen der Missachtung? Das können wir ausschließen, weil Er sich dann aufrichtete und den Pharisäern die berühmte Antwort gab: „Wer von euch ohne Sünde ist, werfe als Erster einen Stein auf sie.“ (Joh 8,7)
Was bedeutet das Schreiben? Es erinnert an die Ankündigung im Buch Jeremia (31,33): „Ich habe meine Weisung in ihre Mitte gegeben und werde sie auf ihr Herz schreiben.“ Die Erde, auf der Jesus schreibt, ist das Herz des Menschen. Er schreibt uns Seine Weisung ins Herz, wenn wir es zulassen.
Das Verhalten Jesu strahlt Ruhe und Sicherheit aus. Jedes Wort „sitzt“. Die Pharisäer forderte er auf, in Demut auf ihr eigenes Gewissen zu prüfen Die Frau verurteilte er nicht, er schrieb sie nicht ab. Die Sünde lehnte Er klar ab, aber Er wollte nicht den Tod der Sünderin, sondern dass sie umkehrt und lebt (vgl. Ez 33,11).
Was bedeutet „leben“? „Ich vergesse, was hinter mir liegt, und strecke mich nach dem aus, was vor mir ist.“ (Phil 3,13) Der heilige Paulus sprach aus Erfahrung: Er erkannte seine schweren Fehler, weil Jesus sich ihm zuwandte. Man hat wirklich den Eindruck, dass Er Seine Weisung in das Herz des Paulus schrieb. Als Paulus nach Damaskus unterwegs war, traf ihr der helle Strahl Christi in sein Innerstes. Erschüttert fasste er Hoffnung, als er mit dem Christen Hananias darüber sprechen konnte. Hananias heilte ihn von der Blindheit, so dass Paulus schreiben konnte: „Christus will ich erkennen und die Macht Seiner Auferstehung und die Gemeinschaft mit Seinen Leiden, indem ich Seinem Tod gleich gestaltet werde.“ (Phil 3,10) Der zuerst Christus vehement ablehnte, sehnte sich nun „nach der himmlischen Berufung Gottes in Christus Jesus“ (Phil 3,14). Erstaunlich! Was ist also größer – das Wunder des Auszugs aus Ägypten oder die Bekehrung eines Menschen? Auch zu uns spricht Jesus heute: „Auch ich verurteile dich nicht. Geh und sündige von jetzt an nicht mehr!“ (Joh 8,11)
In Österreich leiden wir an einem Fachkräftemangel. Die Medien, die Politik berichten davon, in den Schulen versucht man, junge Leute für verschiedene Berufe zu motivieren. Auch bei einer kirchlichen Feier wies ein Politiker darauf hin: Als heute der niederösterreichische Landtagspräsident dem ehemaligen Bischofsvikar des Weinviertels zu seinem 80. Geburtstag gratulierte, stellte er fest, dass nicht nur der Kirche Priester fehlen, sondern genauso andere Berufszweige zu wenig Interessenten finden. Er gratulierte dem emeritierten Bischofsvikar Hw. Matthias Roch, der 15 Jahre Stellvertreter des Erzbischofs im Vikariat unter dem Manhartsberg war, und nannte ihn einen qualifizierten Mitarbeiter der Kirche. Welche Ausbildung braucht ein Priester? Welche Fähigkeiten muss er haben?
Jesus Christus gab nach seiner Auferstehung dem Petrus den Auftrag: „Weide meine Lämmer!“ Was erwartete er von ihm? Petrus gilt als Beispiel für einen Seelsorger. Sein Weg war nicht ohne Biegungen, aber immer auf Gott ausgerichtet. Zuerst stand seine Begeisterung, als ihn sein Bruder Andreas zu Jesus führte: „Wir haben den Messias gefunden.“ (Joh 1,41) Er sah sich ganz an der Seite Jesus, sogar als Ihn die meisten Jünger verließen: „Herr, zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens.“ (Joh 6,68) Er spürte, dass er nichts war ohne Christus und gleichzeitig nicht würdig, sich von Ihm bedienen zu lassen. Als Jesus ihm die Füße beim Letzten Abendmahl waschen wollte, fragte er staunend: „Du, Herr, willst mir die Füße waschen?“ (Joh 13,6) Ergriffen von der Liebe Christi wollte er sein Leben für Ihn „hingeben“ (Joh 13,38) Bei der Verhaftung Jesu am Ölberg zog er sogar sein Schwert, um dem Stellvertreter des Hohenpriesters das Ohr abzuhauen (vgl. Joh 18,10). Er verstand nicht die Sendung Jesu, Seinen Gehorsam gegenüber Gott, dem Vater. Und schließlich verzagte er völlig und verleugnete Jesus dreimal, bevor der Hahn krähte (vgl. Joh 18,26) Der Tod Jesu war auch für Petrus eine persönliche Niederlage. Es war also kein Wunder, dass er mit Johannes sofort zum Grab lief, als die Frauen vom leeren Grab berichtet hatten (vgl. Joh 20,4). Dreimal hatte Petrus geleugnet, Jesus zu kennen, und dreimal fragte ihn Jesus am Ufer des Sees Genesaret: „Simon, Sohn des Johannes, liebst du mich?“ (Joh 21,15) Er fragt ihn sogar, ob Petrus ihn „mehr als diese“, also als die anderen Apostel liebte. In der griechischen Bibel steht dafür das Wort „Agape“, „Liebe“. Dieses griechische Wort (agapesis) war in der Antike Ausdruck für die dauerhafte Vorliebe für das Gute.
Johannes zeichnet im Evangelium einen roten Faden der Beziehung des Petrus zu Jesus. Der Faden ist nicht eine gerade Linie, aber er reißt nicht ab. Er gipfelt in der Wort der Liebe. Das ist es, was Christus vom Priester erwartet, von einem Menschen, der sich Gott weiht. Aus der Liebe zu Christus heraus wächst das Bedürfnis, alles für Ihn zu tun. Was will Christus? „Weide meine Lämmer.“ Der Priester soll für die Menschen, für die Christus der gute Hirte ist, Nahrung besorgen. Wer stellt die Nahrung zur Verfügung? Wo ist die Weide, wo wir Christen uns sättigen können? Dreimal verleugnete Petrus seinen Herrn. Dreimal bekannte er seine Liebe zu Christus. Und dreimal bestätigt Johannes, dass allein Jesus Christus die Quelle des Lebens ist: Als der Soldat seine Lanze in die Seite Jesu am Kreuz stieß, floss Blut und Wasser heraus. Das hatte für die ersten Christen eine wesentliche Aussage: Blut steht für die Eucharistie, für die Kommunion, das Opfer Christi. Das Wasser zeigt die Wiedergeburt aus der Taufe an. Blut und Wasser fließen aus der Seite Christi, von Jesus allein kommt das Leben. Unsere Nahrung kommt von Christus, er ist die „Weide“ für uns „Lämmer“. Der Priester soll den Weg zu dieser Weide zeigen. Wir dürfen aus der Freundschaft mit Christus leben. Amen.
Letzten Sonntag habe ich über das Mädchen erzählt, das im überraschend Guten Gott erkannte. Daraufhin hat mich eine Frau angesprochen: Wo ist Gott im Leid? Ist der Tod und Leid nicht ein starkes Argument gegen Gott? Können wir aus dem Glauben auf diese Frage antworten?
Viele Denker haben sich nach dem Warum des Leidens gefragt. Dieses Problem begegnet uns in der Bibel – besonders im Buch Ijob, aber auch in der Offenbarung des Johannes. Kann jemand diese Frage beantworten, warum es Leid, warum es den Tod gibt? Wenn wir darüber nachdenken, wie Menschen dem Leid begegnen, dann öffnet sich eine andere Tür: Was zeigt sich im Leiden? Die natürlichste menschliche Reaktion ist Leiden abzulehnen, dagegen anzukämpfen. Im Gespräch mit Ministranten kam noch eine Antwort: Im Bösen wird das Gute erkennbar. Ein weißer Strich auf einem dunklen Blatt lenkt die Aufmerksamkeit auf sich. Freundschaft bewährt sich in schweren Stunden. In der Osternacht erklingt ein Lied im Schein der Osterkerze, das uns diese paradoxe Wirklichkeit vor Augen führt: „O glückliche Schuld, welch großen Erlöser hast du gefunden.“
Deshalb ist die Auferstehung Christi für uns Christen das wichtigste Ereignis der Weltgeschichte. Gleichzeitig wirft die Auferstehung ein Licht in das persönliche Leben. Deshalb setzt sich der Hl. Paulus mit aller Kraft seine Argumentation dafür ein: „Wenn aber verkündet wird, dass Christus von den Toten auferweckt worden ist, wie können dann einige von euch sagen: Eine Auferstehung der Toten gibt es nicht?“ (1 Kor 15,12) Christus hat das Leid der Menschen in sich aufgenommen und ans Kreuz getragen – und endgültig überwunden. Das zeigt uns die Auferstehung. Das kann man im Leben vieler Menschen erkennen, die sich nicht mit dem Leiden abfinden: der hl. Damian Deveuster, der als Gesunder auf die Insel Molokai zu den Leprakranken ging; die Gefangenen eines kommunistisch-sowjetischen GULAG, die ihre kargen Rationen mit dem schwer verletzten Raketenbauer Korolev teilten; der Hl. Maximilian Kolbe, der im nationalsozialistischen Konzentrationslager sein Leben für einen verurteilten Familienvater gab. Es sind auch die kleinen Taten, die das Licht der Auferstehung in das Leid der Welt tragen: jemanden zu besuchen, der viel alleine ist, Blut zu spenden für Menschen, die schwer erkrankt sind, Aggression im Alltag nicht mit Bosheit zu erwidern.
Das ist die Trockenheit und Hitze, von der Jeremia spricht: „Er hat nichts zu fürchten, wenn Hitze kommt; seine Blätter bleiben grün; auch in einem trockenen Jahr ist er ohne Sorge, er hört nicht
auf, Frucht zu tragen.“ (Jer 17,8) Jesus stärkt seine Jünger, weil er ihnen das Heil zeigt, das trotz des Leidens wächst, - so wie der Ministrant meinte: das Gute wird im Bösen sichtbar: „Selig,
ihr Armen, denn euch gehört das Reich Gottes. Selig, die ihr jetzt hungert, denn ihr werdet gesättigt werden. Selig, die ihr jetzt weint,
denn ihr werdet lachen….Freut euch und jauchzt an jenem Tag; denn siehe, euer Lohn im Himmel wird groß sein.“ (Lk 6,20-23)
Ihr Pfarrer
P. Sebastian Hacker OSB